Deutschland hinkt bei bei Innovationen hinterher - auch bei VR?!

Dieses Thema im Forum "VR Branche & Business" wurde erstellt von Marcus, 21. Dezember 2015.

  1. Tja, was soll man sagen, dieser Bericht in der FAZ ist mal wieder Wasser auf meine Mühlen:

    http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/unternehmen/deutschland-unternehmen-schneiden-im-bdi-innovationsvergleich-schlecht-ab-13978349.html

    Fazit: Deutschland ist nur noch bei traditionellen Industrien führend. Bei allen neuen - vornehmlich IT-lastigen - Branchen spielen wir hingegen kaum noch eine Rolle und das obwohl in D herausragende Grundlagenforschung betrieben wird. Nur sind wir unfähig bzw. unwillens die Erkenntisse in Ideen umzuwandeln, mit denen sich der Alltag vieler Menschen verändern und vor allem auch Geld verdienen lässt.

    In der VR-Branche beobachte ich schon wieder ähnliches. Während es in den USA, UK und auch den Niederlanden viele Start Ups entstehen, die überlegen, wie sie VR Anwendungen generieren können, mit denen sich Geld verdienen lässt, gehen hier viele ihren Träumen nach und sind sehr experimentell oder aber ohne längerfristige Expansionsstrategie unterwegs.

    Das wird dann noch verstärkt durch den äußerst bescheidenen Zugang zu Riskokapital. Hab einige Freunde, die versucht haben für durchaus pfiffige Ideen Kapital aufzunehmen - durchgehende Antwort: Solange noch keine Million(en) Brillen verkauft wurde(n), braucht ihr es gar nicht erst versuchen. Hallo?! RISIKOkapitalgeber... bitte benennt Euch einfach um - alles andere ist Vortäuschung falscher Tatsachen. :p

    Aber zurück zum Thema: Die Zukunft der technischen VR-Entwicklung wird scheinbar schon wieder in den USA und einigen innovatinsfreundlicheren europäischen Ländern gemacht und hier erneut verpennt. Kleine Ausnahmen sind lediglich Zeiss (Warum hat es hier nur zum weniger ambitionierten Zeiss VR one gereicht? Warum baut Zeiss nicht die Oculus oder zumindest ein Profi-HMD in der Preisklasse von 3-4k?) und Crytek, unser einziger Spiele- und Engine-Entwickler mit einer weltweiter Bedeutung.

    Ihr dürft mich gerne eines besseren belehren, aber so ist zumindest im Augenblick mein Eindruck. Ich bin mir auch sicher, dass hier in D von der hysterischen Presse und Öffentlichkeit im kommenden Jahr am lautesten die Diskussion um mögliche Risiken und Schäden durch VR-Technologie geführt wird. Solange das so bleibt, werden wohl weiterhin solche Artikel wie der oben zitierte erscheinen und D weiter den Anschluss verlieren und ins wirtschaftliche Mittelfeld absteigen.
     
  2. lieber marcus, du sprichst ein thema an, womit ich mich schon lange beschäftige. lese momentan auch viel fachliteratur dazu. ich frage mich immer, wie in einem land der dichter und denker, einem land das solch ingenieur pioniere wie siemens, bosch, carl benz usw hervorgebracht hat, es dazu kommen kann, dass abseits der grossen industrien keine innovationen entstehen?

    eigentlich entstehen ja innovationen, sie werden aber nicht selbst vermarktet. das beste beispiel ist doch die mp3 entwicklung. eine geniale erfindung eines deutschen, der statt es selbst zu vermarkten mit ansehen musste wie andere aus dieser erfindung ein milliardenträchtiges geschäft aufzogen. der ipod hat apple den arsch gerettet und die kassen kassen für die nächste produktoffensive gefüllt. warum klappt aber sowas in deutschland nicht? ich glaube, das liegt auch etwas an der mentalität und unserem sicherheitsbedürfnis. wir haben 2. weltkriege durchgemacht und bevorzugen die sicherheit und scheuen das risiko. wir sind auf alles mögliche versichert und bevorzugen ein angestellten verhältnis statt die selbständigkeit zu suchen. wenn steve wozniak sich von jobs nicht überreden liess sein sicheren arbeitsplatz bei hewlet packard aufzugeben, gäbe es die weltfirma apple nicht, weil es den von wozniak entwickelten apple II nie gegeben hätte. das war der rechner, der von 1977 bis 1990 der firma ein fundament bt und über mehrere jahre ein sicheres einkommen sicherte.

    ich vertrete eine ganz neue berufskultur in deutschland. wir müssen zurück zu den gründungszeiten des deutschen reiches um die 1870er. eine zeit, wo aus einem agrarstaat innerhalb weniger jahrzehnte eine blühende industrination entstehen konnte. ein grosser teil der dax30 firmen resultiert aus dieser zeit. ich versuche gebetsmühlenartig jeden zu ermuntern, sich mit technik, hardware und programmieren usw zu beschäftigen. jeder soll sein potential ausschöpfen. statt darüber belächelt zu werden, sollten leute wie mich auch mal unterstützt werden. denn letztendlich sind wir schrägen vögel, die neues erschaffen mit ihren unkonventionellen ideen.

    meine theorie, dass programmieren nicht schwerer ist als das erlernen einer sprache, habe ich schonmal ausführlich erläutert. wir können in schriftform bücher, oder komplexe wissenschaftliche themen mit mehreren hundert seiten schreiben, weil es uns leicht fällt. kann dies aber jemand mit rudimentären schreibkenntnissen auf niveua eines grundschülers!? was ich sagen will ist dass wir in sachen programmiersprachen alle bis auf wenige spezialisten analphabeten sind. programmierer sind für mich die mönche der neuzeit. wir sind auf sie angeweisen, wie damals die bevölkerung im mittelalter auf ihre mönche angeweisen waren.

    wir leben aber im zeitalter der digitalisierung. es wird zeit, dass wir die zweite, in diesem fall die digitale, alphabetisierung hinbekommen. das könnte der funken einer neuen digitalen revolution sein. ich vergleiche die erfindung der druckerpresse von gutenberg mit der des ersten microcomputers. mit der erfindund des buchdrucks konnten von heute auf morgen auch nicht alle lesen, aber es wurde langsam das bewusstsein geschaffen, dass man das volk alphabetisieren sollte. ich bin sehr stark dafür, dass man programmieren methodisch und strukturiert über mehrere jahre lernt. das fach deutsch haben wir auch von der ersten bis zur letzten 13. klasse. es ist ein mühseliger weg, bis wir erstmal komplexe, logische und syntaxisch richtige texte schreiben können. wir können es aber, weil wir übung darin haben. klar wird jetzt jemand ankommen und sagen, dass nicht jeder programmierer werden will und das es ressourcen verschwendung wäre. ich sehe es aber nicht so. wir lernen ja schliesslich auch höhere mathematik und nicht die 4 grundrechenarten, plus, minus, division und multplikation, es will ja auch nicht jeder raketentechniker werden aber trotzdem beschäftigen wir uns mit algebara und analysis. es geht mir nur darüber, die voraussetzungen zu schaffen, dass man es könnte. und so ähnlich sollte es auch bei programmiersprachen analog zu mathematik sein. wir leben im digitalen zeitalter und sollten verstehen, was programmiersprachen sind und wie man eigene programme schreibt. hier entsteht eine ganz neue industrie und je mehr leute wir mit dieser sprache ausstatten, desto mehr ideen können verwirklicht werden.

    ich mag auch nicht die ausreden, dass es zu schwer sei. wenn 1.3 milliarden menschen es schaffen chinesisch zu lernen, mit der sprache ihre gedanken, ideen usw mündlich und schriftlich zu äussern, wird es doch möglich sein, eine programmiersprache zu erlernen, wobei hier der vorteil ist, dass man die sprache nur in schriftform beherrschen muss, was immer einfacher und autonomer zu erlernen ist. das programmieren ist für mich ein elementar wichtiger bestandteil für ein hochmodernes indsutrieland wie deutschland. schaut euch doch mal unsere industrie an. fast jede hardware wird mit "seele" ausgestattet, sprich mit software. in autos steckt jetzt schon komplexe software und es wird immer mehr.

    wenn ich kinder hätte würde ich sie in vier fächern zu höchstelistungen motivieren. mathematik, deutsch, englisch und porgrammieren. das sind die schlüsselfächer für alles andere. ich finde die 3 stunden pro woche für die hauptfächer viel zu wenig und finde man sollte sie auf 5 stunden erhöhen, wenn wir in zukunft nicht den anschluss verlieren wollen.

    jetzt komme ich zu einem etwas heiklen thema. ich finde die flüchtlingswelle kann auch was gutes bewirken und viele aus ihrer bequemen welt wachrütteln und sie zu höchstleistungen motivieren. wir könnten endlich wieder zu einer lehrenden nation werden und uns vor augen führen, was uns so stark macht, satt uns auf unseren loorbeeren auszuruhen. ich hoffe wir packen das, denn die schadenfreude in 10-20 jahren will ich dann genüsslich auskosten, wenn wir trotz der gewaltigen anstrengungen der flüchtlingskrise immer noch besser dastehen als andere eurpäische staaten, die keine flüchtlinge aufgenommen haben.:co:
     
  3. ....und effektiv den Thread gekillt...
     
  4. Find ich gar nicht. Im Gegenteil - eine durchaus interessanter Beitrag. In den USA lernen nämlich tatsächlich Jungs wie Mädels das Programmieren als wäre es ein Grundlagenfach. Den Aspekt hab ich noch gar nicht betrachtet.

    Auch gebe ich virtualboy's Sichtweise zur Sicherheitsorientierung der Deutschen recht. Ich denke zudem, dass die jüngeren Generationen nach dem Wirtschaftswunder in solchem Wohlstand aufgewachsen sind, dass der Antrieb Risiken einzugehen, um den eigenen Lebensstandard anzuheben, sehr schwach ausgeprägt war.

    Und last but not least.... bei den Deutschend sind Eliten von jeher verdächtig und Erfolg wird geneidet. Im heutigen linken Zeitgeist leider mehr denn je. Menschen mit Visionen und Tatkraft werden so eher ausgebremst oder verlassen das Land. Die meisten Hochschulabgänger wollen Staatsbedienstete werden - allein das spricht Bände.
     
  5. Als Software Entwickler feier ich dass.
    Ansonsten kann ich vieles bestätigen: Wie viele haben keine Ahnung mehr von Technik mehr weil sie mit Apple nur noch "Endanwender" sind und nicht mehr die Herren ihrer Geräte... Wie viele können nicht mal mehr einen Computer aufsetzen... usw. mehr als eine CD in eine Konsole zu schieben sind manche nicht mal mehr bereit zu machen. Ich hatte bereits Leute vor mir stehen, dass ich ihnen Office und sonst was umprogrammiere, da wünsche ich mir immer, dass man zumindest einige kleine Grundlagen den Leuten beibringen würde.

    Man muss ja in der Schule keine 3D Shooter oder sonst was machen aber ein kleines Textadventure oder ein kleiner Graphenzeichner als Windows Fenster ist nicht so schwer (hatte ich mir damals selbst beigebracht)... damit hat man viel mehr Einblick wie die Technik funktioniert als ohne.

    Ansonsten die Technik und Ideenfeindlichkeit in Deutschland habe ich bereits selbst erleben müssen viele Ideen werden einfach nur schlecht geredet ohne diese nur ansatzweise zu diskutieren... 3-5 Jahre später hatten andere die gleiche Idee im Ausland in Zwischenzeit zu einen Produkt umgesetzt.
     
  6. ich fand den Beitrag auch gut.
     
  7. Die Innovationsfeindlichkeit hat auch noch einen weiteren Grund. In Deutschland werden Firmen zumeist sehr hierarchisch geführt. Das heißt, der Boss sagt, was gemacht wird - das Kreativpotential der Mannschaft dadurch begrenzt. Ich rede jetzt explizit nicht von meinem Arbeitgeber, der da erfreulicherweise die die Regel bestätigende Ausnahme bildet.

    Jedenfalls arbeite ich inzwischen seit vielen Jahren mit Startups - vor allem aus den Staaten - zusammen und da ist der Boss mehr Leader als autoritäre Führungsfigur. Er ist also Teil des Teams - zwar in tragenender Verantwortung und mit der finalen Entscheidungskompetenz, aber die Spezialisten im Team haben viel mehr Gewicht und bringen sich / Ihre Kreativität daher auch viel stärker ein.

    Und dann ist da noch die amerikanische Wagniskultur inklusive des Duktus, dass Scheitern zum Geschäft gehört und auch positive Aspekte hat. Ein Freund, der lange in Kaliforien lebte, hat mal gesagt "Die Amerikaner suchen den Erfolg - die Deutschen versuchen Misserfolg zu vermeiden." Meiner Meinung nach ein sehr treffendes Zitat.
     
  8. Grund ist immer noch das "Risiko-Kapital"
    selbst wenn es gedeckt ist.
     
  9. Aber gerade bei Startups bei denen Entwickler gefragt sind braucht man nicht viel Risikokapital. Ich arbeite gerade mit einem Kumpel nebenbei an einer VR App (Spiel) und wir brauchen dafür keinerlei Geld und abreiten auch ganz normal nebenbei.

    Tatsächlich gibt es in Deutschland sehr sehr viele Förderprogramme für Gründer. Ein BWL-Kumpel meinte kürzliche das die harten Faktoren in Deutschland besser als in jeden anderen europäischen Land sind.

    Ich sehe nur 2 Probleme: Zum einen ist in Deutschland scheitern nicht besonders populär (in den USA ist klar, dass das zum gründen dazugehört) und ein weiteres Problem ist, dass wir gar nicht so schlecht dastehen :)

    Klar is die USA technisch wesentlich versierter als wir, wenn wir uns jedoch in Europa umschauen, fällt mir außer Schweden kein Land mit einer besseren technisch affinen Gründerkultur ein als in Deutschland.